Rechtsbeschwerde: Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid

1. Eine Beschränkung des Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid auf den Rechtsfolgenausspruch in seiner Gesamtheit ist möglich, sofern der Bußgeldbescheid den gesetzlichen Anforderungen des § 66 Abs. 1 OWiG entspricht. Enthält der Bußgeldbescheid keine ausdrücklichen Angaben zur Schuldform, ist unter Berücksichtigung aller Umstände zu entscheiden, ob sich dem Bußgeldbescheid die Schuldform entnehmen lässt. Dabei kann auch Beachtung finden, dass die Zentrale Bußgeldstelle im Bay. Polizeiverwaltungsamt in der Regel im Rahmen der Erhöhung der Regelgeldbuße auf die vorsätzliche Tatbegehung hinweist.2. Bei einem wirksam auf die Rechtsfolgen beschränkten Einspruch hat der Tatrichter den Schuldspruch so zu fassen, wie wenn er selbst entschieden hätte; die bloße Bezugnahme auf den Bußgeldbescheid genügt nicht (Fortführung von BayObLG, Beschl. v. 12.02.1999 – 1 ObOWi 3/99 bei juris = BeckRS 1999, 15054).

Tenor

I.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 17.10.2022 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass Ziffer 1. des Urteilstenors des vorgenannten Urteils wie folgt neu gefasst wird:

„Der Betroffene wird nach dem Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt vom 18.05.2022 wegen fahrlässiger unberechtigter Benutzung einer freien Gasse für die Durchfahrt von Polizei- oder Hilfsfahrzeugen mit einem Fahrzeug auf einer Autobahn zu einer Geldbuße von 240 Euro verurteilt.“II.

Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Gegen den Betroffenen erging am 18.05.2022 ein Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt, der wegen unberechtigter Benutzung einer freien Gasse für die Durchfahrt von Polizei- oder Hilfsfahrzeugen mit einem Fahrzeug auf einer Autobahn eine Geldbuße von 480 Euro sowie ein mit einer Anordnung gemäß § 25 Abs. 2a StVG versehenes Fahrverbot für die Dauer von 1 Monat vorsah. Im Bußgeldbescheid ist ausgeführt, dass die Geldbuße erhöht wurde, da der Betroffene keine Rettungsgasse bildete, sondern diese unberechtigt befuhr. Der Betroffene legte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 23.05.2022, eingegangen am 24.05.2022, gegen den am 20.05.2022 zugestellten Bußgeldbescheid Einspruch ein. In der Hauptverhandlung vom 17.10.2022 beschränkte der Betroffene den Einspruch auf die Rechtsfolgen. Das Amtsgericht Aschaffenburg verurteilte den Betroffenen sodann unter Bezugnahme auf den im Schuldspruch rechtskräftigen Bußgeldbescheid zu einer Geldbuße von 240 Euro und verhängte ein mit einer Anordnung gemäß § 25 Abs. 2a StVG versehenes Fahrverbot für die Dauer von 1 Monat. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der dieser die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt und den Eintritt der Verfolgungsverjährung mangels aktenkundiger Verfügung des Erlasses des Bußgeldbescheides geltend macht. Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Stellungnahme vom 10.01.2023 beantragt, die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Aschaffenburg als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde hat – abgesehen von der unterbliebenen Benennung des Schuldvorwurfs – keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben. Sie war deshalb nach entsprechender Ergänzung des Schuldspruchs auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft als offensichtlich unbegründet zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).

1. Die vom Senat aufgrund der zulässig erhobenen Sachrüge von Amts wegen (vgl. u.a. OLG Bamberg, Beschl. v. 08.02.2019 – 2 Ss OWi 123/19 = BeckRS 2019, 3405 und vom 03.04.2018 – 3 Ss OWi 330/18 = ZfSch 2018, 588 = OLGSt OWiG § 67 Nr. 5 = BeckRS 2018, 7635; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 05.02.2010 -1 Ss 5/10 = StraFo 2010, 252 = OLGSt StPO § 302 Nr. 9 = BeckRS 2010, 6117) durchzuführende Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen ergibt, dass der Betroffene den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 18.05.2022 wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch in seiner Gesamtheit ist möglich, sofern der Bußgeldbescheid den gesetzlichen Anforderungen des § 66 Abs. 1 OWiG entspricht (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 19.10.2007 – 3 Ss OWi 1344/07 = NStZ-RR 2008, 119 = VRS 113 [2007], 357 = BeckRS 2007, 17500; KG NZV 2002, 466; BayObLG NZV 2000, 50, 51; OLG Oldenburg, Beschl. v. 7.3.2016 – 2 Ss [OWi] 55/16, 2 Ss OWi 55/15 bei juris = DAR 2016, 472). Das ist hier der Fall. Der Bußgeldbescheid lässt in seiner Gesamtheit eindeutig erkennen, dass das Polizeiverwaltungsamt von fahrlässiger Begehungsweise ausgeht. Der Bußgeldbescheid enthält zwar keine ausdrücklichen Angaben zur Schuldform. Dies steht der Wirksamkeit der Beschränkung aber nicht entgegen, sofern die Verfolgungsbehörde ihrer Tatahndung offensichtlich die Regelsätze der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) zugrunde gelegt hat. Denn die Beträge des Bußgeldkatalogs, an den die Behörde grundsätzlich gebunden ist, gehen von fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen aus (vgl. § 1 Abs. 2 BKatV).

Bei den im Bußgeldbescheid zitierten Normen findet sich auch Nummer 50a BKat. Die Bußgeldbehörde hat hier die nach Nr. 50a der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV vorgesehene Regelgeldbuße von 240 Euro verdoppelt. Es findet sich zudem der ausdrückliche Hinweis, dass die Geldbuße wegen der (zeitgleich verwirklichten) Nichtbildung einer Rettungsgasse, die aber nicht im Tatbestand des Bußgeldbescheids erwähnt wurde, erhöht worden ist. Dies lässt in der Gesamtheit ausreichend erkennen, dass die Bußgeldbehörde von fahrlässiger Tatbegehung ausgeht. Dies gilt umso mehr, als Bußgeldbescheide des Bayerischen Polizeiverwaltungsamtes stets ausdrücklich ausführen, wenn die Geldbuße wegen vorsätzlicher Tatbegehung erhöht wird.

Der Bußgeldbescheid umgrenzt hier trotz der „Nichttenorierung“ des Nichtbildens einer Rettungsgasse das Tatgeschehen zureichend und stellt damit eine ausreichende Verfahrensgrundlage dar, weil Zweifel über die Tatidentität nicht möglich sind, also einwandfrei klar ist, welcher Lebensvorgang zur Entscheidung des Gerichts gestellt ist (vgl. Göhler/Seitz/Bauer OWiG 18. Aufl. § 66 Rn. 39 m.w.N.). Denn der Bußgeldbescheid muss nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG „die Bezeichnung der Tat, die dem Betroffenen zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit und die angewendeten Bußgeldvorschriften“ enthalten. Er hat im Falle der Einspruchseinlegung wie die Anklageschrift und der Strafbefehl, denen er nachgebildet ist, die Aufgabe, den Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht von anderen denkbaren Tatvorwürfen abzugrenzen und damit auch den Umfang der Rechtskraft zu bestimmen (vgl. BGHSt 23, 336, 338 ff.). Diese Aufgabe erfüllt er in sachlicher Hinsicht, wenn nach seinem Inhalt keine Zweifel über die Identität der Tat entstehen können, wenn also zweifelsfrei feststeht, welcher Lebensvorgang erfasst und geahndet werden soll. Der Sachverhalt ist unter Anführung der Tatsachen, die die einzelnen Tatbestandsmerkmale erfüllen, als geschichtlicher Lebensvorgang so konkret zu schildern, dass nicht unklar bleiben kann, über welchen Sachverhalt das Gericht urteilen und gegen welchen Vorwurf sich der Betroffene verteidigen soll (BayObLGSt 1995, 91, 92; 1997, 40, 41f.). Diesen Anforderungen wird der Bußgeldbescheid hier gerecht. Da die Nichtbildung der Rettungsgasse zeitgleich mit dem Benutzen der Rettungsgasse verwirklicht wurde, handelte es sich um eine Tat im prozessualen Sinne, es geht um eine Tat als konkretes historisches Ereignis. Dies ist hier so geschildert, dass dem Betroffenen offenbar wird, welches Geschehen Gegenstand der Ahndung sein soll und gegen welchen Vorwurf er sich verteidigen muss (BGH VRS 39, 442; OLG Hamm VRS 49, 128, 129; OLG Karlsruhe VRS 78, 296, 297). Eine Verwechslungsgefahr besteht nicht.

In Folge der wirksamen Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen steht rechtskräftig fest, dass der Betroffene aus Fahrlässigkeit gehandelt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats genügt in einem solchen Fall die Bezugnahme auf den Bußgeldbescheid im Schuldspruch nicht. Vielmehr hat der Tatrichter den Schuldspruch nach wirksamer Einspruchsbeschränkung so zu fassen, wie wenn er selbst entschieden hätte (BayObLG, Beschl. v. 12.02.1999 – 1 ObOWi 3/99 bei juris = BeckRS 1999, 15054). Die demnach gebotene Neufassung des Urteilstenors konnte das Rechtsbeschwerdegericht selbst aussprechen.

2. Es liegt kein auf die allgemeine Sachrüge zu prüfendes Verfahrenshindernis vor. Entgegen der Auffassung der Verteidigung ist keine Verfolgungsverjährung (die auch bei hinsichtlich des Schuldspruchs eingetretener Teilrechtskraft den Eintritt der Verfolgungsverjährung zu prüfen ist – OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.2.1999 – 2 Ss OWi 14/99 – [OWi] 4/99 II = BeckRS 9998, 39909; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 65. Aufl. § 318 Rn. 31) eingetreten. Für den wirksamen Erlass des Bußgeldbescheides mit der Folge einer Unterbrechung der Verfolgungsverjährung nach § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG war eine aktenkundige Verfügung seines Erlasses durch den Sachbearbeiter der Verwaltungsbehörde bereits deshalb nicht erforderlich, weil die Urschrift des Bußgeldbescheides vom Sachbearbeiter des Bayerischen Polizeiverwaltungsamtes eigenhändig unterzeichnet ist (vgl. OLG Frankfurt NJW 1976, 337; OLG Brandenburg VRS 88, 291).

3. Die Verfahrensrüge ist entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht ausgeführt und daher unzulässig.

4. Wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausführt, sind im Rahmen der Sachrüge allein die Feststellungen der Urteilsurkunde maßgeblicher Prüfungsmaßstab (st.Rspr., vgl. Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 337 Rn. 22 m.w.N.). Soweit in der Rechtfertigungsschrift Behauptungen zum Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte im Falle der Verbüßung eines Fahrverbotes aufgestellt werden, die nicht mit den Urteilsfeststellungen übereinstimmen, kann dies als sogenanntes urteilsfremdes Vorbringen vom Rechtsbeschwerdegericht nicht berücksichtigt werden. Den Urteilsfeststellungen lässt sich aber nicht entnehmen, dass im Fall der Verbüßung eines einmonatigen Fahrverbotes für den Betroffenen die Gefahr einer Existenzvernichtung droht. Bloße berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten als Folge eines angeordneten Fahrverbotes rechtfertigen nicht das Absehen von der Verhängung eines Regelfahrverbotes (König, in Hentschel/König/Dauer StVR 47. Aufl. § 25 StVG Rn. 25a), sondern nur schwerwiegende Härten wie z.B. der drohende Verlust des Arbeitsplatzes oder vergleichbare sonstige Gefährdungen der wirtschaftlichen Existenzgrundlage (vgl. nur OLG Bamberg, Beschl. v. 28.12.2015 – 3 Ss OWi 1450/15 bei juris = Blutalkohol 53 [2016], 192 = ZfSch 2016, 290 = BeckRS 2016, 2727). Dafür gibt es hier keine Anhaltspunkte.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.

Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.

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