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Haftungsverteilung bei einem Auffahrunfall

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Two drivers inspecting car damage after the traffic accident on the city road. Man calling road assistance or police

Haftungsverteilung bei einem Auffahrunfall auf der Autobahn im Anschluss ein einen Fahrstreifenwechsel

Kommt es auf der Autobahn zu einem Auffahrunfall, so trifft das vorausfahrende Fahrzeug die alleinige Haftung, wenn es die Fahrspur gewechselt hat und dieser Fahrspurwechsel zum Zeitpunkt des Unfalls noch nicht abgeschlossen war.

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 21.03.2022 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam, Az. 12 O 78/21, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Potsdam ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.755,02 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger macht Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall vom 02.11.2020 gegen 17:00 Uhr auf der BAB 9 bei Kilometer 23,4 geltend, bei dem der vom Kläger gehaltene Pkw T4 mit dem amtlichen Kennzeichen LAU-XL 260 mit dem von der Beklagten zu 1 gehaltenen und zum Unfallzeitpunkt vom Beklagten zu 2 geführten und bei der Beklagten zu 3 haftpflichtversicherten Pkw Skoda Oktavia mit dem amtlichen Kennzeichen L-PT 2832 kollidierte. Dabei fuhr der Zeuge S. das Klägerfahrzeug zunächst auf der rechten der drei Fahrspuren in Fahrtrichtung München. Da vor ihm ein Lkw beabsichtigte, auf die Autobahn aufzufahren, setzte er den linken Fahrtrichtungsanzeiger und wechselte in die mittlere Fahrspur. Dort befand sich das Fahrzeug der Beklagten. Die Aktivlegitimation des Klägers, der Unfallhergang im Einzelnen und die Höhe des Schadens stehen im Streit. Wegen des Sachverhalts wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, durch Vorlage des Original-Fahrzeugbriefes habe der Kläger die Aktivlegitimation nachgewiesen. Im Weiteren komme grundsätzlich eine Haftung der Beklagten aus § 7 Abs. 1 StVG in Betracht. Allerdings habe der Zeuge S. als Fahrer des klägerischen Fahrzeuges gegen § 7 Abs. 5 StVO verstoßen, sodass der Kläger allein für die Fahrzeugschäden hafte. Insoweit streite für die Beklagten ein Anscheinsbeweis für die Missachtung der Sorgfaltspflichten, die für den Fahrstreifenwechsler gelten. Es liege hier ein unmittelbarer zeitlicher und örtlicher Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel vor, wie sich bereits aus der Aussage des Zeugen S. ergebe. Unerheblich sei, ob zuerst die Kollision zwischen dem Kläger- und dem Beklagtenfahrzeug oder dem Beklagtenfahrzeug und dem Fahrzeug des Zeugen T. stattgefunden habe. In beiden Fällen bestehe ein Zusammenhang mit dem vorherigen Spurwechsel. Dem Kläger sei es auch nicht gelungen, den Anscheinsbeweis zu entkräften. Allein die Kollision zwischen drei Fahrzeugen begründe keinen atypischen Unfallhergang. Eigene Verstöße der Beklagten seien nicht nachgewiesen. Eine überhöhte Geschwindigkeit sei schon nicht vorgetragen. Auch ein zu spätes Reagieren scheide nach dem Vortrag des Beklagten zu 1 aus, nachdem dieser überzeugend ausgeführt habe, dass der Spurwechsel plötzlich gekommen sei. Wegen der weiteren Entscheidungsgründe wird auf das Urteil Bezug genommen.

Der Kläger hat gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 08.04.2022 zugestellte Urteil mit am Montag, dem 09.05.2022 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und innerhalb der zweimalig, zuletzt bis zum 08.08.2022 verlängerten Berufungsbegründungsfrist an diesem Tag begründet. Er führt aus, der als Beklagter zu 1 im Termin vor dem Landgericht Angehörte sei der bislang nicht benannte Zeuge Yaron Hagar gewesen und dessen Einlassung deshalb nicht zu berücksichtigen. Ferner habe das Landgericht ohne Hinweis und Begründung von der notwendigen Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen. Auch ein Anscheinsbeweis komme vorliegend nicht in Betracht, da es dem Geschehen an der erforderlichen Typizität fehle. Denn die Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Beklagte zu 2 gerade schon auf die linke Fahrspur gewechselt sei und zwar so weit, dass dem Zeugen T. auch unter Benutzung des Seitenstreifens ein Vorbeifahren nicht mehr möglich gewesen wäre. Insofern sei der Nachweis für einen Fahrstreifenwechsel durch den Beklagten zu 2 und nicht nur für ein Ausweichen innerhalb der mittleren Fahrspur geführt. Der Fahrstreifenwechsel des Zeugen S. sei deshalb nicht kausal für den Unfall. Es hätte sachverständig zudem aufgeklärt werden müssen, dass die Differenzgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeuges und des Klägerfahrzeuges überhaupt nicht ausgereicht habe, um ersteres über die gesamte mittlere Fahrspur nach links zu drücken. Jedenfalls aber hätte der Beklagte zu 2 durch leichtes Bremsen oder Gas wegnehmen den Unfall vermeiden können, sodass ein vollständiges Zurücktreten der Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeuges nicht in Betracht komme.

Das Bestreiten der Eigentümerstellung stelle eine reine und damit unbeachtliche Schutzbehauptung „ins Blaue hinein“ dar.

Der Kläger beantragt,

das am 21.03.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam, Az. 12 O 78/21 abzuändern und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 8.755,02 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.12.2020, sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 808,13 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.12.2020 zu zahlen;

hilfsweise,

das am 21.03.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Potsdam, Az. 12 O 78/21 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Potsdam zurückzuverweisen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tragen vor, die verfahrensfehlerhafte Anhörung vor dem Landgericht sei für die Entscheidung nicht kausal geworden. Denn zutreffend gehe das Landgericht von einem gegen den Kläger sprechenden Anscheinsbeweis eines Verstoßes gegen § 7 Abs. 5 StVO aus, der nicht entkräftet sei. Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens fehlten Anknüpfungstatsachen, weil die Position der Fahrzeuge nach den Zeugenaussagen gerade unklar sei. Für den Führer des Beklagtenfahrzeugs sei der Unfall auch nicht auf andere Weise zu verhindern gewesen, wie der Kläger erstinstanzlich selbst eingeräumt habe, indem er ein Bremsen oder Ausweichen als Reflexhandlung zugestehe.

Der im Termin vor dem Landgericht vorgelegte Fahrzeugbrief sei für den Nachweis der Aktivlegitimation nicht ausreichend. Diese werde weiterhin bestritten.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Schadensersatz nach der am 02.11.2020 auf der BAB 9 stattgefunden Kollision der Fahrzeuge des Klägers und der Beklagten aus §§ 7 Abs. 117, 18 StVG823 BGB i.V.m. § 115 VVG, § 1 PflVersG zu.

Ungeachtet der auch weiterhin bestehenden Zweifel an der Aktivlegitimation des Klägers ist die Klage jedenfalls auch deshalb unbegründet, weil das Landgericht in Abwägung der Verursachungsbeiträge der Unfallbeteiligten gemäß § 17 StVG zu Recht von einer alleinigen Haftung des Klägers ausgegangen ist.

Im Ausgangspunkt haften die Beklagten auf Schadensersatz gemäß § 7 StVG, weil sich der Unfall beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges ereignet hat und weder höhere Gewalt noch ein unabwendbares Ereignis vorliegt.

Der dem Kläger obliegende Nachweis für einen darüber hinausgehenden schuldhaften Verkehrsverstoß des Fahrers des Beklagtenfahrzeuges ist nicht geführt. Vielmehr ist im Rahmen der dann vorzunehmenden Abwägung der Unfallverursachungsbeiträge gemäß § 17 StVG ein Verstoß des Zeugen S. gegen § 7 Abs. 5 StVO zu berücksichtigen.

a) Der Zeuge S. hat schon nach dem Vorbringen des Klägers selbst im zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit der Fahrzeugkollision einen Fahrstreifenwechsel vorgenommen, der zum Zeitpunkt der Kollision der Fahrzeuge nicht abgeschlossen war.

aa) Nach § 7 Abs. 5 StVO verlangt jeder Fahrstreifenwechsel die Einhaltung äußerster Sorgfalt, so dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Er setzt ausreichende Rückschau voraus und ist rechtzeitig und deutlich durch Fahrtrichtungsanzeiger anzukündigen. Ereignet sich die Kollision zweier Fahrzeuge in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem Fahrstreifenwechsel, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der den Spurwechsel vornehmende Verkehrsteilnehmer den Unfall unter Verstoß gegen die vorgenannten Pflichten verursacht und verschuldet hat. Dieser begründet zugleich regelmäßig die Alleinhaftung des Spurwechslers. Denn allein die einfache Betriebsgefahr rechtfertigt seine Mithaftung nicht (KG Berlin, Urteil vom 10. Februar 2021 – 25 U 160/19 -, Rn. 6 – 8; OLG Köln, Urteil vom 10. November 2016 – I-7 U 91/16 -, Rn. 3; OLG München, Urteil vom 13. Juli 2018 – 10 U 1856/17 -, Rn. 25, juris). Mithin obliegt es dem Spurwechsler den Beweis zu führen, dass entweder ein atypischer Geschehensablauf vorliegt oder, soweit eine Haftung der Beklagten in der Gesamtabwägung berücksichtigt werden soll, die Beklagten ihrerseits einen Verkehrsrechtsverstoß begangen haben.

bb) Der Zeuge S. wechselte unstreitig von der rechten auf die mittlere Fahrspur der dreispurigen Autobahn. Noch bevor der Spurwechselvorgang abgeschlossen war (vgl. Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Heß, 27. Aufl. 2022, StVO § 7 Rn. 25), kollidierten die Fahrzeuge der Parteien. Insoweit liegt ein zeitlicher und örtlicher Zusammenhang des Spurwechsels und der Kollision auf der Hand.

cc) Zutreffend geht das Landgericht auch davon aus, dass es dem Unfallgeschehen nicht an der erforderlichen Typizität fehlt. Auch wenn bei der Anwendung des Anscheinsbeweises grundsätzlich Zurückhaltung geboten ist, weil er es erlaubt, bei typischen Geschehensabläufen aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze auf einen ursächlichen Zusammenhang oder ein schuldhaftes Verhalten zu schließen, ohne dass im konkreten Fall die Ursache bzw. das Verschulden festgestellt ist, und er deswegen nur Anwendung finden kann, wenn das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch dafür ist, dass derjenige Verkehrsteilnehmer, zu dessen Lasten der Anscheinsbeweis angewendet wird, schuldhaft gehandelt hat (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – VI ZR 177/10 -, BGHZ 192, 84-90, Rn. 11), besteht hier kein Anlass, von einem atypischen Geschehensablauf auszugehen. Denn dass der nachfolgende Verkehr auf der Fahrspur, auf die gewechselt wurde, ein Ausweichmanöver durchführt, ist geradezu typisch für einen Spurwechselvorgang. Dabei besteht hier zugunsten des Klägers auch keine Vermutung für eine Unaufmerksamkeit oder einen Fahrfehler des Beklagten zu 2, der zugleich dem Vorgang die Typizität nehmen könnte, wie dies z.B. bei einem Auffahrunfall in Betracht zu ziehen ist. Gleiches gilt für die weitere Kollision mit dem Fahrzeug des Zeugen T.. Denn auch eine mehrfache Kollision von Fahrzeugen ist im Rahmen eines Spurwechsels nicht untypisch.

Der Nachweis folgt auch nicht aus dem eigenen Vortrag der Beklagten. Denn bereits in der Klageerwiderung haben sie vorgetragen, der Zeuge S. habe geblinkt und sei gleichzeitig nach links gefahren. Um eine Kollision zu vermeiden, habe der Beklagte zu 2 zunächst innerhalb seiner Spur nach links gelenkt, dann jedoch durch einen Blick in den Rückspiegel festgestellt, dass ein Fahrstreifenwechsel nach links wegen des dort fahrenden Zeugen T. nicht möglich gewesen sei. Deshalb sei er auf seiner Spur verblieben und es sei zur Kollision gekommen. Dieser Vortrag mag zwar in seiner Schilderung einen erheblichen Zeitrahmen erfassen. Genauso denkbar ist jedoch eine kurzzeitige Reaktion wie auch der nicht vorwerfbare Beginn eines Spurwechsels durch eine Linksorientierung der Fahrt und eine entsprechende Versicherung nach hinten, der wegen des Fahrzeugs des Zeugen T. noch innerhalb der mittleren Fahrspur abgebrochen wurde.

Warum das Beklagtenfahrzeug weiter in die ganz linke Spur gelangte und dort mit dem Fahrzeug des Zeugen T. kollidierte, bleibt offen. Der Zeuge S. hat lediglich ausgesagt, er habe bereits 4 bis 6 Sekunden den Fahrtrichtungsanzeiger getätigt und dann über den Außenspiegel den rückwärtigen Verkehr beobachtet. Dabei habe er bemerkt, dass das Beklagtenfahrzeug die Spur wechseln wollte und sei in der Annahme eines beginnenden Spurwechsels des Beklagtenfahrzeuges nach links gefahren, bis es zum Zusammenstoß gekommen sei. Es habe einen „parallelen Spurwechsel“ mit dem Beklagtenfahrzeug gegeben. Dieser Vortrag ist nicht geeignet, den Kläger zu entlasten. Denn danach war zum Zeitpunkt des Spurwechselvorganges des Zeugen S. die mittlere Fahrspur nicht frei. Der Zeuge S. hatte zudem keine verlässliche Grundlage für die Annahme, er könne den Fahrstreifen für die anderen Verkehrsteilnehmer gefahrlos wechseln. Weder ergab sich zu diesem Zeitpunkt für den Zeugen verlässlich, dass der Beklagte zu 2 überhaupt einen Spurwechsel in die für ihn linke Fahrspur vorhatte, noch dass dieser einen etwaigen Spurwechsel gefahrfrei durchführen und abschließen werde. Allein eine Orientierung des Beklagtenfahrzeugs nach links genügt dafür jedenfalls nicht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Abstand zwischen den Fahrzeugen der Parteien gering war. Der Zeuge S. geht lediglich von 20 m, die Beklagten von 2 bis 3 Fahrzeuglängen aus. Insoweit bestand kein hinreichend sicherer Abstand, der bei den gefahrenen Geschwindigkeiten der Fahrzeuge um die 100 km/h, mögen die Differenzgeschwindigkeit gering oder nicht gewesen sein, ein sicheres Einfahren auf die mittlere Fahrspur ermöglichte.

Der Zeuge T. hat weder eine Erinnerung an ein etwaiges Blinken des Beklagtenfahrzeuges noch an das Klägerfahrzeug. Auch zum Ablauf der Kollisionen der Fahrzeuge konnte er keine Angaben machen. Er wusste nur, dass das Beklagtenfahrzeug auf die linke Spur kam und seitlich gegen sein Fahrzeug gefahren sei. Daher bleibt auch nach seiner Aussage offen, warum es zum Einfahren des Beklagtenfahrzeuges auf seine Fahrspur kam.

Auf die Aussage des zunächst fälschlich als Partei angehörten Zeugen L. kommt es demnach nicht an.

dd) Der Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens bedarf es nicht. Nach dem Klägervortrag soll dadurch der Beweis geführt werden, dass – neben der Fahrbahnmaße – die Primärkollision zwischen dem Beklagtenfahrzeug, das die mittlere Fahrspur verlassen habe, und dem Fahrzeug des Zeugen T. stattgefunden habe und die Differenzgeschwindigkeit der Fahrzeuge nicht ausgereicht hätte, das Beklagtenfahrzeug auf die linke Spur zu drängen. Dies kann hier letztlich sogar unterstellt werden. Denn selbst wenn das Beklagtenfahrzeug im Rahmen eines Ausweichmanövers zunächst mit dem links fahrenden Pkw kollidiert wäre, entfiele weder der Ursachenzusammenhang mit dem Spurwechsel des Klägerfahrzeugs, denn das Fahrmanöver des Beklagten zu 2 geht nach wie vor auf den Spurwechsel des Klägerfahrzeugs zurück, noch wäre dadurch der Beweis für einen verkehrswidrigen Spurwechsel i.S.d. § 7 Abs. 5 StVO statt eines Ausweichmanövers des Beklagtenfahrzeugs geführt. Denn warum das Beklagtenfahrzeug nach links gelenkt wurde – den Klägervortrag insoweit als richtig unterstellt – lässt sich anhand der Fahrzeugschäden nicht rekonstruieren. Vielmehr ist es nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte zu 2 innerhalb einer gewissen Reaktionszeit durchaus zunächst einen Spurwechsel in Betracht gezogen haben könnte, diesen jedoch sodann wegen des nachfolgenden Verkehrs auf der linken Spur nicht fortgesetzt hat und erst durch die Weiterfahrt des Zeugen S. zu einem weiteren Ausweichen nach links genötigt worden wäre. Dieser zeitliche Verlauf ist jedoch ohne jeden Zweifel sachverständig nicht zu klären.

ee) Vor diesem Hintergrund fehlt es auch an Anhaltspunkten für ein Verschulden des Beklagten zu 2. Denn selbst eine etwaige Fehlreaktion des Beklagten zu 2, indem er ein Ausweichmanöver durchgeführt hat, statt zu bremsen, lässt weder den Zurechnungszusammenhang entfallen, noch begründet das eine Mithaftung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann nämlich auch ein Unfall infolge einer voreiligen – also objektiv nicht erforderlichen – Abwehr- oder Ausweichreaktion dem Betrieb des Kraftfahrzeugs zugerechnet werden, das diese Reaktion ausgelöst hat. Es ist auch nicht erforderlich, dass die von dem Geschädigten vorgenommene Ausweichreaktion aus seiner Sicht, also subjektiv erforderlich war oder sich gar für ihn als die einzige Möglichkeit darstellte, um eine Kollision zu vermeiden (BGH, Urteil vom 21. September 2010 – VI ZR 263/09 -, Rn. 6, juris). So kommt es – auch hier – für die Bejahung des Zurechnungszusammenhangs insbesondere nicht darauf an, ob der Beklagte zu 2 einen Zusammenstoß mit dem Pkw des Klägers auf andere Weise, etwa durch Abbremsen, hätte verhindern können.

Eine etwaige Fehlreaktion bzw. ein Fahrfehler, der auf einer für den Beklagten zu 2 unvermuteten, plötzlich an ihn herantretenden Gefahrensituation beruht, kann auch nicht den Vorwurf der Fahrlässigkeit begründen (BGH, Urteil vom 16. Februar 1982 – VI ZR 292/80 -, Rn. 12, juris).

Mangels Anhaltspunkte für eine erhöhte Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs oder auch eines schuldhaften Verkehrsverstoßes des Beklagten zu 2 einerseits und einem Verkehrsverstoß des Fahrers des Klägerfahrzeugs gegen § 7 Abs. 5 StVO andererseits sieht der Senat im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 1 StVG eine Alleinhaftung des Klägers als angemessen an.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1708 Nr. 10709, 711, 713 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen.

Rechtsbeschwerde: Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid

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1. Eine Beschränkung des Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid auf den Rechtsfolgenausspruch in seiner Gesamtheit ist möglich, sofern der Bußgeldbescheid den gesetzlichen Anforderungen des § 66 Abs. 1 OWiG entspricht. Enthält der Bußgeldbescheid keine ausdrücklichen Angaben zur Schuldform, ist unter Berücksichtigung aller Umstände zu entscheiden, ob sich dem Bußgeldbescheid die Schuldform entnehmen lässt. Dabei kann auch Beachtung finden, dass die Zentrale Bußgeldstelle im Bay. Polizeiverwaltungsamt in der Regel im Rahmen der Erhöhung der Regelgeldbuße auf die vorsätzliche Tatbegehung hinweist.2. Bei einem wirksam auf die Rechtsfolgen beschränkten Einspruch hat der Tatrichter den Schuldspruch so zu fassen, wie wenn er selbst entschieden hätte; die bloße Bezugnahme auf den Bußgeldbescheid genügt nicht (Fortführung von BayObLG, Beschl. v. 12.02.1999 – 1 ObOWi 3/99 bei juris = BeckRS 1999, 15054).

Tenor

I.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 17.10.2022 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass Ziffer 1. des Urteilstenors des vorgenannten Urteils wie folgt neu gefasst wird:

„Der Betroffene wird nach dem Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt vom 18.05.2022 wegen fahrlässiger unberechtigter Benutzung einer freien Gasse für die Durchfahrt von Polizei- oder Hilfsfahrzeugen mit einem Fahrzeug auf einer Autobahn zu einer Geldbuße von 240 Euro verurteilt.“II.

Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Gegen den Betroffenen erging am 18.05.2022 ein Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt, der wegen unberechtigter Benutzung einer freien Gasse für die Durchfahrt von Polizei- oder Hilfsfahrzeugen mit einem Fahrzeug auf einer Autobahn eine Geldbuße von 480 Euro sowie ein mit einer Anordnung gemäß § 25 Abs. 2a StVG versehenes Fahrverbot für die Dauer von 1 Monat vorsah. Im Bußgeldbescheid ist ausgeführt, dass die Geldbuße erhöht wurde, da der Betroffene keine Rettungsgasse bildete, sondern diese unberechtigt befuhr. Der Betroffene legte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 23.05.2022, eingegangen am 24.05.2022, gegen den am 20.05.2022 zugestellten Bußgeldbescheid Einspruch ein. In der Hauptverhandlung vom 17.10.2022 beschränkte der Betroffene den Einspruch auf die Rechtsfolgen. Das Amtsgericht Aschaffenburg verurteilte den Betroffenen sodann unter Bezugnahme auf den im Schuldspruch rechtskräftigen Bußgeldbescheid zu einer Geldbuße von 240 Euro und verhängte ein mit einer Anordnung gemäß § 25 Abs. 2a StVG versehenes Fahrverbot für die Dauer von 1 Monat. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der dieser die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt und den Eintritt der Verfolgungsverjährung mangels aktenkundiger Verfügung des Erlasses des Bußgeldbescheides geltend macht. Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Stellungnahme vom 10.01.2023 beantragt, die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Aschaffenburg als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde hat – abgesehen von der unterbliebenen Benennung des Schuldvorwurfs – keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben. Sie war deshalb nach entsprechender Ergänzung des Schuldspruchs auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft als offensichtlich unbegründet zu verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG).

1. Die vom Senat aufgrund der zulässig erhobenen Sachrüge von Amts wegen (vgl. u.a. OLG Bamberg, Beschl. v. 08.02.2019 – 2 Ss OWi 123/19 = BeckRS 2019, 3405 und vom 03.04.2018 – 3 Ss OWi 330/18 = ZfSch 2018, 588 = OLGSt OWiG § 67 Nr. 5 = BeckRS 2018, 7635; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 05.02.2010 -1 Ss 5/10 = StraFo 2010, 252 = OLGSt StPO § 302 Nr. 9 = BeckRS 2010, 6117) durchzuführende Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen ergibt, dass der Betroffene den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 18.05.2022 wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch in seiner Gesamtheit ist möglich, sofern der Bußgeldbescheid den gesetzlichen Anforderungen des § 66 Abs. 1 OWiG entspricht (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 19.10.2007 – 3 Ss OWi 1344/07 = NStZ-RR 2008, 119 = VRS 113 [2007], 357 = BeckRS 2007, 17500; KG NZV 2002, 466; BayObLG NZV 2000, 50, 51; OLG Oldenburg, Beschl. v. 7.3.2016 – 2 Ss [OWi] 55/16, 2 Ss OWi 55/15 bei juris = DAR 2016, 472). Das ist hier der Fall. Der Bußgeldbescheid lässt in seiner Gesamtheit eindeutig erkennen, dass das Polizeiverwaltungsamt von fahrlässiger Begehungsweise ausgeht. Der Bußgeldbescheid enthält zwar keine ausdrücklichen Angaben zur Schuldform. Dies steht der Wirksamkeit der Beschränkung aber nicht entgegen, sofern die Verfolgungsbehörde ihrer Tatahndung offensichtlich die Regelsätze der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) zugrunde gelegt hat. Denn die Beträge des Bußgeldkatalogs, an den die Behörde grundsätzlich gebunden ist, gehen von fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen aus (vgl. § 1 Abs. 2 BKatV).

Bei den im Bußgeldbescheid zitierten Normen findet sich auch Nummer 50a BKat. Die Bußgeldbehörde hat hier die nach Nr. 50a der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV vorgesehene Regelgeldbuße von 240 Euro verdoppelt. Es findet sich zudem der ausdrückliche Hinweis, dass die Geldbuße wegen der (zeitgleich verwirklichten) Nichtbildung einer Rettungsgasse, die aber nicht im Tatbestand des Bußgeldbescheids erwähnt wurde, erhöht worden ist. Dies lässt in der Gesamtheit ausreichend erkennen, dass die Bußgeldbehörde von fahrlässiger Tatbegehung ausgeht. Dies gilt umso mehr, als Bußgeldbescheide des Bayerischen Polizeiverwaltungsamtes stets ausdrücklich ausführen, wenn die Geldbuße wegen vorsätzlicher Tatbegehung erhöht wird.

Der Bußgeldbescheid umgrenzt hier trotz der „Nichttenorierung“ des Nichtbildens einer Rettungsgasse das Tatgeschehen zureichend und stellt damit eine ausreichende Verfahrensgrundlage dar, weil Zweifel über die Tatidentität nicht möglich sind, also einwandfrei klar ist, welcher Lebensvorgang zur Entscheidung des Gerichts gestellt ist (vgl. Göhler/Seitz/Bauer OWiG 18. Aufl. § 66 Rn. 39 m.w.N.). Denn der Bußgeldbescheid muss nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG „die Bezeichnung der Tat, die dem Betroffenen zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit und die angewendeten Bußgeldvorschriften“ enthalten. Er hat im Falle der Einspruchseinlegung wie die Anklageschrift und der Strafbefehl, denen er nachgebildet ist, die Aufgabe, den Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht von anderen denkbaren Tatvorwürfen abzugrenzen und damit auch den Umfang der Rechtskraft zu bestimmen (vgl. BGHSt 23, 336, 338 ff.). Diese Aufgabe erfüllt er in sachlicher Hinsicht, wenn nach seinem Inhalt keine Zweifel über die Identität der Tat entstehen können, wenn also zweifelsfrei feststeht, welcher Lebensvorgang erfasst und geahndet werden soll. Der Sachverhalt ist unter Anführung der Tatsachen, die die einzelnen Tatbestandsmerkmale erfüllen, als geschichtlicher Lebensvorgang so konkret zu schildern, dass nicht unklar bleiben kann, über welchen Sachverhalt das Gericht urteilen und gegen welchen Vorwurf sich der Betroffene verteidigen soll (BayObLGSt 1995, 91, 92; 1997, 40, 41f.). Diesen Anforderungen wird der Bußgeldbescheid hier gerecht. Da die Nichtbildung der Rettungsgasse zeitgleich mit dem Benutzen der Rettungsgasse verwirklicht wurde, handelte es sich um eine Tat im prozessualen Sinne, es geht um eine Tat als konkretes historisches Ereignis. Dies ist hier so geschildert, dass dem Betroffenen offenbar wird, welches Geschehen Gegenstand der Ahndung sein soll und gegen welchen Vorwurf er sich verteidigen muss (BGH VRS 39, 442; OLG Hamm VRS 49, 128, 129; OLG Karlsruhe VRS 78, 296, 297). Eine Verwechslungsgefahr besteht nicht.

In Folge der wirksamen Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen steht rechtskräftig fest, dass der Betroffene aus Fahrlässigkeit gehandelt hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats genügt in einem solchen Fall die Bezugnahme auf den Bußgeldbescheid im Schuldspruch nicht. Vielmehr hat der Tatrichter den Schuldspruch nach wirksamer Einspruchsbeschränkung so zu fassen, wie wenn er selbst entschieden hätte (BayObLG, Beschl. v. 12.02.1999 – 1 ObOWi 3/99 bei juris = BeckRS 1999, 15054). Die demnach gebotene Neufassung des Urteilstenors konnte das Rechtsbeschwerdegericht selbst aussprechen.

2. Es liegt kein auf die allgemeine Sachrüge zu prüfendes Verfahrenshindernis vor. Entgegen der Auffassung der Verteidigung ist keine Verfolgungsverjährung (die auch bei hinsichtlich des Schuldspruchs eingetretener Teilrechtskraft den Eintritt der Verfolgungsverjährung zu prüfen ist – OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.2.1999 – 2 Ss OWi 14/99 – [OWi] 4/99 II = BeckRS 9998, 39909; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 65. Aufl. § 318 Rn. 31) eingetreten. Für den wirksamen Erlass des Bußgeldbescheides mit der Folge einer Unterbrechung der Verfolgungsverjährung nach § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG war eine aktenkundige Verfügung seines Erlasses durch den Sachbearbeiter der Verwaltungsbehörde bereits deshalb nicht erforderlich, weil die Urschrift des Bußgeldbescheides vom Sachbearbeiter des Bayerischen Polizeiverwaltungsamtes eigenhändig unterzeichnet ist (vgl. OLG Frankfurt NJW 1976, 337; OLG Brandenburg VRS 88, 291).

3. Die Verfahrensrüge ist entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht ausgeführt und daher unzulässig.

4. Wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausführt, sind im Rahmen der Sachrüge allein die Feststellungen der Urteilsurkunde maßgeblicher Prüfungsmaßstab (st.Rspr., vgl. Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 337 Rn. 22 m.w.N.). Soweit in der Rechtfertigungsschrift Behauptungen zum Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte im Falle der Verbüßung eines Fahrverbotes aufgestellt werden, die nicht mit den Urteilsfeststellungen übereinstimmen, kann dies als sogenanntes urteilsfremdes Vorbringen vom Rechtsbeschwerdegericht nicht berücksichtigt werden. Den Urteilsfeststellungen lässt sich aber nicht entnehmen, dass im Fall der Verbüßung eines einmonatigen Fahrverbotes für den Betroffenen die Gefahr einer Existenzvernichtung droht. Bloße berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten als Folge eines angeordneten Fahrverbotes rechtfertigen nicht das Absehen von der Verhängung eines Regelfahrverbotes (König, in Hentschel/König/Dauer StVR 47. Aufl. § 25 StVG Rn. 25a), sondern nur schwerwiegende Härten wie z.B. der drohende Verlust des Arbeitsplatzes oder vergleichbare sonstige Gefährdungen der wirtschaftlichen Existenzgrundlage (vgl. nur OLG Bamberg, Beschl. v. 28.12.2015 – 3 Ss OWi 1450/15 bei juris = Blutalkohol 53 [2016], 192 = ZfSch 2016, 290 = BeckRS 2016, 2727). Dafür gibt es hier keine Anhaltspunkte.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.

Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.

Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren

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Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit ungeeichtem Tacho zur Nachtzeit auf einem innerstädtischen Abschnitt einer Bundesautobahn.

Orientierungssätze:1. Die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit ungeeichtem Tacho ist kein standardisiertes Messverfahren, so dass sich das Tatgericht in jedem Einzelfall mit der Zuverlässigkeit der Messung und der Einhaltung der Voraussetzungen für die Verwertbarkeit auseinandersetzen muss.2. Bei einer Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren zur Nachtzeit müssen die Urteilsgründe grundsätzlich Feststellungen zu den Beleuchtungsverhältnissen enthalten und Darlegungen dazu, ob der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug durch Scheinwerfer des nachfahrenden Fahrzeugs oder durch andere Lichtquellen aufgehellt war und damit ausreichend sicher erfasst und geschätzt werden konnte. Etwas anderes kann gelten, wenn die Beleuchtungsverhältnisse gerichtsbekannt sind (vgl. Senat, Beschluss vom 8. November 1999 – 3 Ws (B) 560/99 -, juris).3. Der zum Ausgleich von Messungenauigkeiten gewährte Toleranzabzug von 22,5 % auf die gefahrene Geschwindigkeit von 160 km/h beschwert den Betroffenen nicht.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 18. Oktober 2022 wird als unbegründet verworfen.

Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

Auf den gegen den Bußgeldbescheid der Polizei Berlin vom 24. Januar 2022 gerichteten Einspruch des Betroffenen hat ihn das Amtsgericht Tiergarten mit Urteil vom 18. Oktober 2022 wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 64 km/h zu einer Geldbuße in Höhe von 1.750,00 Euro verurteilt und ihm für die Dauer von drei Monaten verboten, Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene am 7. Dezember 2021 gegen 21.40 Uhr mit einer Geschwindigkeit von 124 km/h (netto) die Bundesautobahn BAB 100 in Richtung Süden zwischen den Abfahrten Kaiserdamm (Laternenpfahl 26/08) und Ostpreußenbrücke. Damit überschritt er die durch gut erkennbares Verkehrszeichen 274 zuvor angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 64 km/h.

Das Amtsgericht war von diesem Tatgeschehen überzeugt, weil drei Polizeibeamte unabhängig voneinander bekundet hatten, den Betroffenen, der ihnen bereits zuvor durch überhöhte Geschwindigkeit aufgefallen sei, über eine Wegstrecke von etwa 565 Metern beginnend ab Abfahrt Kaiserdamm bei einem gleichbleibenden Sicherheitsabstand, demnach – so das Tatgericht – von minimal 50 Metern und maximal 150 Metern, mit einer vom ungeeichten Tacho abgelesenen Geschwindigkeit von 160 km/h verfolgt zu haben.

Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Rechtsbeschwerde erhebt der Betroffene die allgemeine Sachrüge und sieht zusätzlich formelles Recht als verletzt an.

II.

Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 OWiG statthafte und im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig.

Die auf die allgemeine Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils zeigt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf, der die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache gebietet.

1. Die Sachrüge ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch wendet.

a) Die im Urteil festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung beruht auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung.

Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts, dessen Überzeugungsbildung das Rechtsbeschwerdegericht nur darauf prüft, ob sie auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht. Dies ist namentlich der Fall, wenn sie mit gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen oder unbezweifelbarem Erfahrungswissen unvereinbar ist, Widersprüche oder sonstige Verstöße gegen die Gesetze der Logik enthält oder Lücken aufweist, sich insbesondere nicht mit naheliegenden alternativen Geschehensabläufen befasst, obwohl sich dies nach dem Beweisergebnis aufdrängt (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006 – 3 StR 139/06 -, juris). Für die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren ist anerkannt, dass sie als Beweis für eine Geschwindigkeitsüberschreitung auch dann ausreichen kann, wenn der Tachometer des nachfahrenden Fahrzeugs ungeeicht (und nicht justiert) war. Wie der zumindest überwiegende Teil der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung hält der Senat die Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit ungeeichtem Tachometer allerdings nicht für ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung (vgl. Senat DAR 2022, 392, Beschlüsse vom 8. Oktober 2021 – 3 Ws (B) 234/21 -, vom 29. November 2017 – 3 Ws (B) 212/17 und vom 27. Oktober 2014 – 3 Ws (B) 467/14 -, juris; BayObLG, Beschluss vom 18. Juni 2020 – 201 ObOWi 739/20 -, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 4. August 2008 – 2 Ss OWi 409/08 -, juris; vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 47. Aufl., § 3 StVO Rn. 99), so dass sich das Tatgericht in jedem Einzelfall mit der Zuverlässigkeit der Messung und der Einhaltung der Voraussetzungen für die Verwertbarkeit auseinandersetzen muss. Insoweit hat die Rechtsprechung Richtlinien für die beweissichere Feststellung einer durch Nachfahren ermittelten Geschwindigkeitsüberschreitung entwickelt. Danach müssen die Messstrecke ausreichend lang und der Abstand des nachfolgenden Fahrzeugs gleichbleibend und möglichst kurz sein; zugleich muss die Geschwindigkeitsüberschreitung wesentlich sein (vgl. Zusammenstellung und Nachweise bei Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren 6. Aufl., Rn. 2115 ff., 2349 ff.). Bei einer in Dunkelheit oder bei schlechten Sichtverhältnissen durchgeführten Messung sind zusätzlich Angaben über die Beobachtungsmöglichkeiten der Polizeibeamten erforderlich (vgl. Senat, Beschlüsse vom 8. Oktober 2021 a.a.O.; vom 22. August 2017 – 3 Ws (B) 232/17 -, juris und vom 27. Oktober 2014 a.a.O.).

Für die hier festgestellten Rahmenbedingungen gilt im Einzelnen:

Bei Geschwindigkeiten von 90 km/h und mehr sollen die Urteilsfeststellungen belegen, dass die Messstrecke nicht kürzer als 500 Meter war (vgl. Senat, Beschluss vom 8. Oktober 2021 a.a.O.; OLG Jena, Beschluss vom 10. April 2006 – 1 Ss 77/06 -, juris; OLG Düsseldorf NZV 1993, 242; NZV 1993, 80; NZV 1990, 318; OLG Hamm NJW 1975, 1848). Bei Geschwindigkeiten über 90 km/h soll der Verfolgungsabstand nicht mehr als 100 Meter betragen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 8. Oktober 2021 a.a.O.; vom 5. April 2019 – 3 Ws (B) 114/19 -, juris; vom 22. August 2017 a.a.O.).

Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils gerecht.

Entgegen der Auffassung der Verteidigung ergibt sich aus den Urteilsgründen, die eine Einheit bilden, hinreichend deutlich, dass die Messung durch Ablesen der gefahrenen Geschwindigkeit von dem ungeeichten Tacho des Polizeifahrzeuges an der Ausfahrt Kaiserdamm (Laternenpfahl 26/08) begann und an der Ostpreußenbrücke endete. Das Amtsgericht führt nachvollziehbar aus, dass die verfahrensgegenständliche Messtrecke beginnend ab Ausfahrt Kaiserdamm (Laternenpfahl 26/08) 565 Meter betragen hat, auf der der Betroffene die zulässige innerörtliche Geschwindigkeit von 60 km/h um 64 km/h überschritt. Dies ergibt sich – so die Ausführungen – aufgrund der glaubhaften Bekundungen der drei Polizeibeamten, die unabhängig voneinander angaben, sie hätten vom Tacho des Polizeifahrzeuges konstant 160 km/h als gefahrene Geschwindigkeit abgelesen, auch sei der Blickkontakt zwischen ihrem und dem vorausfahrenden Fahrzeug des Betroffenen der Marke Daimler Benz zu keinem Zeitpunkt etwa durch ein anderes Fahrzeug versperrt gewesen und der Abstand zwischen beiden Fahrzeugen sei konstant gewesen und habe dem Sicherheitsabstand entsprochen. Demnach legte das Amtsgericht einen Abstand von 50 bis 150 Meter während der Messung zugrunde.

Soweit der Abstand mit 150 Metern jedenfalls zeitweise über der Vorgabe von 100 Metern lag, ist zu berücksichtigen, dass die von der Rechtsprechung entwickelten Richtlinien nicht starr anzuwenden sind und etwa eine längere Messstrecke die Fehlerquelle beim (zu großen) Abstand ausgleichen kann (vgl. Senat, Beschlüsse vom 8. Oktober 2021 und vom 27. Oktober 2014, jeweils a.a.O.). Eine derartige Kompensation ist hier vorzunehmen, da die mitgeteilte Messstrecke die Mindestanforderungen von 500 Metern übersteigt.

Zwar weist die Verteidigung zutreffend daraufhin, dass bei in Dunkelheit durchgeführter Messung – wie vorliegend – grundsätzlich zusätzliche Angaben zu den Sicht- und Beleuchtungsverhältnissen erforderlich sind (vgl. Senat, Beschluss vom 22. August 2017 – 3 Ws (B) 232/17 -, juris; OLG Hamm DAR 1997, 285) und diese in den Urteilsgründen fehlen, aber dies gefährdet den Bestand des Urteils nicht. Denn ein Abstand von nicht weit über 100 Metern angesichts der gerichtsbekannten Beleuchtungsverhältnisse auf der A 100 im Berliner Stadtgebiet lässt noch nicht besorgen, dass die nachfahrenden Polizeibeamten nicht mehr in der Lage gewesen sein könnten, zu beobachten, ob der Abstand gleichgeblieben ist. Hinzu kommt, dass die Geschwindigkeit des Polizeifahrzeugs mit 160 km/h erheblich über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von hier 60 km/h (UA S. 4) lag, die Messstrecke mit 565 Metern ausreichend lang war und der Einfluss von Abstandsschwankungen auf das Messergebnis daher ohnehin als gering einzustufen war (vgl. Senat, Beschluss vom 8. November 1999 – 3 Ws (B) 560/99 -, juris m.w.N.).

Im Übrigen hat das Amtsgericht etwaigen Ungenauigkeiten durch einen großzügigen Toleranzabzug von 22,5 Prozent (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2014 a.a.O.; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 46. Aufl., § 3 StVO Rn. 99) Rechnung getragen und ist von einer netto Geschwindigkeit von 124 km/h ausgegangen, die um 64 km/h über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit lag.

Die weiteren Angriffe der Verteidigung gegen das Urteil stützen sich auf urteilsfremdes Vorbringen, mit dem sie ihre Beweiswürdigung an die Stelle des Tatgerichts setzt. Damit kann der Verteidiger im Rahmen der Sachrüge nicht gehört werden.

b) Ferner ist nichts dagegen zu erinnern, dass das Amtsgericht von einer vorsätzlichen Begehungsweise der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung ausgegangen ist.

Bei der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit drängt sich eine vorsätzliche Begehungsweise umso mehr auf, je massiver deren Ausmaß ist. Insoweit kann nach dem gegenwärtigen Wissensstand auf den Erfahrungssatz zurückgegriffen werden, dass jedenfalls bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 40 Prozent – vorliegend beläuft sich auf mehr als 100 Prozent – von Vorsatz auszugehen ist, sofern nicht besondere Umstände eine abweichende Wertung veranlassen (ständige Rspr. des Senats: vgl. etwa Beschlüsse vom 31. Mai 2019 – 3 Ws (B) 161/19 – und vom 6. März 2019 – 3 Ws (B) 47/19 -, beide juris m.w.N.).

Insbesondere war dem Betroffenen ausweislich der Urteilsgründe die Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h auf dem Streckenabschnitt der Bundesautobahn A 100 bewusst.

2. Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Rechtsfolgenentscheidung wendet, bleibt sie ebenfalls erfolglos.

Die Bemessung der Rechtsfolgen liegt grundsätzlich im Ermessen des Tatgerichts, so dass sich die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht darauf beschränkt, ob das Tatgericht von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat (vgl. Senat, Beschluss vom 12. März 2019 – 3 Ws (B) 53/19 -, juris m.w.N.).

a) Zutreffend hat das Amtsgericht seiner Rechtsfolgenentscheidung den Bußgeldtatbestand nach §§ 1 Abs. 1 und Abs. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV mit Anhang zu Nr. 11 der Anlage Tabelle 1 lit c) lfd. Nr. 11.3.9 zugrunde gelegt.

Es ist rechtsfehlerfrei von einer Überschreitung innerhalb geschlossener Ortschaften ausgegangen. Denn nach gefestigter Rechtsprechung des Senats sind Geschwindigkeitsüberschreitungen auf der Bundesautobahn im Berliner Stadtgebiet als innerörtliche Verstöße zu behandeln (vgl. Senat, Beschlüsse vom 5. Januar 2022 – 3 Ws (B) 329/21 -; vom 22. Dezember 2021 a.a.O.; vom 22. März 2021 – 3 Ws (B) 35/21 -; vom 28. März 2001 – 3 Ws (B) 88/01 -, juris). Die nach der Tatbegehung innerhalb und außerhalb geschlossener Ortschaften differenzierende Regelung des Bußgeldkatalogs ist auf die höhere abstrakte Gefährlichkeit von Geschwindigkeitsüberschreitungen im Bereich geschlossener Ortschaften zurückzuführen, ohne dass es dabei auf die verkehrsrechtliche Klassifizierung ankommt. Eine höhere abstrakte Gefährlichkeit ergibt sich bei der Berliner Stadtautobahn beispielsweise aus der Vielzahl von Ein- und Ausfahrten, der häufig kurvigen Streckenführung sowie daraus, dass auf der Stadtautobahn jederzeit mit Verkehrsstauungen gerechnet werden muss (vgl. Senat, Beschluss vom 28. März 2001 a.a.O.).

Den sich aus Nr. 11.3.9 ergebenden Regelsatz von 700,00 Euro hat das Gericht gemäß § 3 Abs. 4a BKatV aufgrund der vorsätzlichen Begehungsweise rechtsfehlerfrei verdoppelt.

Gegen die Erhöhung gemäß § 17 Abs. 3 OWiG von 1400,00 Euro auf 1.750,00 Euro aufgrund von Voreintragungen bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken.

Erforderlich ist insoweit die Darlegung der Art des Verkehrsverstoßes und das Datum des Eintritts der Rechtskraft der berücksichtigten Voreintragung, um dem Rechtsbeschwerdegericht eine diesbezügliche Rechtsprüfung zu ermöglichen (vgl. BGHSt 39, 291; Senat, Beschlüsse vom 12. Januar 2022 – 3 Ws (B) 343/21 -; 4. Februar 2021 – 3 Ws (B) 6/21 – und vom 13. Mai 2019 – 3 Ws (B) 113/19 -, jeweils juris; Gürtler/Thoma in Göhler, OWiG 18. Aufl., § 17 Rn. 20). Denn getilgte oder tilgungsreife Voreintragungen dürfen bei der Bemessung der Geldbuße nicht mehr berücksichtigt werden dürfen (vgl. BGHSt 39, 291; Senat, Beschluss vom 13. Mai 2019 a.a.O.).

Auch diese Anforderungen erfüllen die Urteilsgründe. Das Gericht hat die drei Voreintragungen entsprechend dargestellt.

b) Schließlich begegnet die Verhängung eines dreimonatigen Fahrverbots keinen rechtlichen Bedenken. Denn der Gesetzgeber sieht für innerorts begangene Geschwindigkeitsüberschreitungen von 64 km/h nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV in Verbindung mit Nr. 11.3.9 des Anhangs (Tabelle 1) zur laufenden Nr. 11 der Anlage (BKat) zu § 1 Abs. 1 BKatV regelmäßig die Anordnung eines dreimonatigen Fahrverbots neben der Verhängung einer Geldbuße vor.

Das Amtsgericht hat rechtsfehlerfrei nicht von der Anordnung eines Fahrverbotes abgesehen.

Ein Absehen von der Anordnung eines Fahrverbotes kommt nur in ganz besonderen Ausnahmefällen in Betracht, wenn entweder besondere Ausnahmeumstände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Betroffenen offensichtlich gegeben sind und deshalb erkennbar nicht der von § 4 BKatV erfasste Normalfall vorliegt (ständige Rspr.: Senat, Beschluss vom 17. Januar 2018, – 3 Ws (B) 356/17 -, juris).

Auf ein Fahrverbot kann im Ausnahmefall insbesondere dann verzichtet werden, wenn dem Betroffenen in Folge des Fahrverbots Arbeitsplatz- und oder sonstiger wirtschaftlicher Existenzverlust droht und diese Konsequenz nicht durch zumutbare Vorkehrungen abgewendet oder vermieden werden kann (vgl. Senat, Beschlüsse vom 27. April 2020 a.a.O. und vom 25. März 2015 – 3 Ws (B) 19/15 -, juris m.w.N.). Dass die Anordnung des Fahrverbots für den keiner Arbeitstätigkeit nachgehenden Betroffenen eine solche ganz außergewöhnliche Härte darstellen würde, die er auch nicht durch ihm zumutbare Maßnahmen abfedern kann (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Februar 2016 – 3 Ws (B) 95/16 -, juris m.w.N.), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Aufklärung von Amts wegen zur Feststellung fahrverbotsfeindlicher Umstände war nicht geboten: Es obliegt insoweit dem Betroffenen, entsprechende Umstände vorzutragen (vgl. Senat, Beschluss vom 27. April 2020 a.a.O.).

c) Eine Vollstreckungserleichterung nach § 25 Abs. 2a StVG hat das Amtsgericht wegen der Voreintragungen bezüglich des Bußgeldbescheides vom 11. Juni 2021, rechtskräftig seit dem 30. Juni 2021, und der Verurteilung des Betroffenen vom 10. Mai 2021, rechtskräftig sei dem 17. August 2021 – 429 OWi 22/22 – rechtsfehlerfrei nicht angeordnet.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO46 Abs. 1 OWiG.

Ausübung des Auskunftsverweigerungsrechts

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Ausübung des Auskunftsverweigerungsrechts zu eigenen Gunsten nach einem Verkehrsverstoß im Ordnungswidrigkeitenverfahren; Auferlegung einer Fahrtenbuchauflage; Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung.

1. Es besteht kein „doppeltes Recht“, nach einem Verkehrsverstoß im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Aussage bzw. das Zeugnis zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben. Dies gilt nicht nur bei Ausübung eines Zeugnisverweigerungsrechts zugunsten Dritter, sondern ebenso bei Ausübung des Auskunftsverweigerungsrechts zu eigenen Gunsten (st. Rspr.).2. Die Ausübung des Aussageverweigerungsrechts steht der Anwendbarkeit des § 31a StVZO auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, insbesondere mit Blick auf den verfassungsrechtlich verankerten und innerhalb des Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahrens zu beachtenden Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare (Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung), nicht entgegen.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 20. Januar 2023 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.800,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt den angegriffenen Beschluss nicht durchgreifend in Frage.

Die mit Bescheid vom 8. Dezember 2022 auferlegte Fahrtenbuchauflage findet ihre rechtliche Grundlage in § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Hiernach kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Dies ist dann der Fall, wenn die Bußgeldbehörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Ob die Aufklärung angemessen war, richtet sich danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Zu den danach angemessenen Ermittlungsmaßnahmen gehört in erster Linie, dass der Halter möglichst umgehend – im Regelfall innerhalb von zwei Wochen – von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten kann und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Eine solche Benachrichtigung begründet für den Halter eine Obliegenheit, zur Aufklärung des mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes so weit mitzuwirken, wie es ihm möglich und zumutbar ist. Dazu gehört es insbesondere, dass er den bekannten oder auf einem vorgelegten Lichtbild erkannten Fahrer benennt oder zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten fördert. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Bußgeldbehörde können sich im Weiteren an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Ermittlung der für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Person ab und liegen der Bußgeldbehörde auch sonst keine konkreten Ermittlungsansätze vor, ist es dieser regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Dezember 2021 – 8 B 1475/21 – juris Rn. 3, und vom 22. Juli 2020 – 8 B 892/20 -, juris Rn. 15.

Hiervon ausgehend beruht die nicht rechtzeitige Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers vorliegend nicht auf einem Ermittlungsdefizit der Bußgeldbehörde, sondern auf der unzureichenden Mitwirkung des Antragstellers.

Das Verwaltungsgericht hat diesbezüglich maßgeblich Folgendes ausgeführt: Der Fahrer, der mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX 0000, dessen Halter der Antragsteller sei, am 9. Mai 2021 einen Geschwindigkeitsverstoß begangen habe, habe nicht vor Eintritt der Verfolgungsverjährung ermittelt werden können. Ein hierfür ursächliches Ermittlungsdefizit der Behörde sei nicht ersichtlich. Der Antragsteller sei mit Schreiben vom 26. Mai 2021 zu dem Geschwindigkeitsverstoß angehört worden. Er habe zunächst mit Schreiben vom 8. Juni 2021 über seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten um Akteneinsicht gebeten und sodann unter dem 19. Juni 2021 erklären lassen, dass eine Stellungnahme gegebenenfalls innerhalb eines Monats erfolgen werde. Mit Schreiben vom 9. August 2021 hätten die Prozessbevollmächtigten mitgeteilt, dass eine Stellungnahme zum jetzigen Zeitpunkt nicht beabsichtigt sei. Mit dieser Verhaltensweise sei der Antragsteller seiner Obliegenheit zur Mitwirkung nicht nachgekommen. Sofern er sich darauf berufe, dass ihm aus der Wahrnehmung seines verfassungsmäßig verbürgten Rechts auf Aussage- bzw. Zeugnisverweigerung keine Nachteile erwachsen dürften, könne dies der Auferlegung der Führung eines Fahrtenbuches nicht mit Erfolg entgegengehalten werden. Denn ein „doppeltes Recht“ darauf, nach einem Verkehrsverstoß im Bußgeldverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu werden, bestehe nicht. Einer Fahrtenbuchauflage könne deshalb regelmäßig nicht entgegengehalten werden, die Behörde habe weiter aufklären müssen, wenn der Betroffene selbst an der Klärung der Vorgänge – aus welchen Gründen auch immer – nicht ausreichend mitgewirkt habe. Das gelte selbst dann, wenn der Halter wegen eines bestehenden Aussage- bzw. Zeugnisverweigerungsrechts nicht mitwirken müsse. Da der Antragsteller keinerlei Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen benannt habe, sei eine weitere Aufklärung nicht geboten gewesen. Weitere dennoch – wie vorliegend – erfolglos durchgeführte überobligatorische Nachforschungen und Ermittlungen blieben insofern ohne Bedeutung.

Diesen Erwägungen setzt das Beschwerdevorbringen nichts Durchgreifendes entgegen.

Der Antragsteller kann nicht mit Erfolg geltend machen, für ihn habe keine Obliegenheit zur Mitwirkung bestanden, da er aufgrund des Verhaltens der Bußgeldbehörde – namentlich in Anbetracht des ihm übersandten Anhörungsbogens vom 26. Mai 2021 und der E-Mail vom 10. August 2021 – davon habe ausgehen dürfen und müssen, dort als Beschuldigter zu gelten, und dass er als solcher berechtigt gewesen sei, sich auf sein Aussageverweigerungsrecht zu berufen.

Dieser Einwand greift nicht durch. Ungeachtet der Frage, ob der Antragsteller berechtigt war, die Aussage zu verweigern, bzw. ob er Grund zu der Annahme hatte, die Aussage verweigern zu dürfen, besteht – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – kein „doppeltes Recht“, nach einem Verkehrsverstoß im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Aussage bzw. das Zeugnis zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben. Ein solches „Recht“ widerspräche dem Zweck des § 31a StVZO, nämlich der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs zu dienen.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 7. Dezember 2021 – 8 B 1475/21 -, juris Rn. 13, vom 12. Oktober 2020 – 8 E 785/20 -, juris Rn. 9, und vom 14. November 2013 – 8 A 1668/13 -, juris Rn. 10 m. w. N.

Dies gilt – anders als der Antragsteller meint – nicht nur bei Ausübung eines Zeugnisverweigerungsrechts zugunsten Dritter, sondern ebenso bei Ausübung des Auskunftsverweigerungsrechts zu eigenen Gunsten,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. August 1999 – 3 B 96.99 -, juris Rn. 3,

worauf der Antragsteller im Übrigen im Anhörungsbogen vom 26. Mai 2021 hingewiesen wurde.

Die Ausübung des Aussageverweigerungsrechts steht der Anwendbarkeit des § 31a StVZO auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht entgegen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 1981 – 2 BvR 1172/81 -, juris Rn. 7; OVG NRW, Beschluss vom 13. Oktober 2015 – 8 B 868/15 -, juris Rn. 19.

Die vorstehend zitierte, zu Fahrtenbuchauflagen ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts wird durch den Hinweis des Antragstellers auf den Grundsatz nemo tenetur se ipsum accusare (Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung) als Bestandteil des Grundrechts auf Achtung der Menschenwürde und auf das Urteil der Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u. a. -, juris Rn. 60, nicht in Frage gestellt. Dieser Grundsatz umfasst das Recht auf Aussage- und Entschließungsfreiheit innerhalb des Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahrens. Mit der Auferlegung der Führung eines Fahrtenbuches bleibt das Recht des Betroffenen gewahrt, sich selbst nicht bezichtigen zu müssen. Aus der für sich gesehen rechtmäßigen Handlungsweise des Betroffenen darf freilich in zulässiger Weise die Prognose abgeleitet werden, dass er auch bei künftigen Verstößen – seien sie von ihm, seien sie von anderen begangen – von seinem Recht zu schweigen oder zu leugnen Gebrauch machen wird. Das damit verbundene Risiko, dass derartige zukünftige Verkehrsverstöße ungeahndet bleiben, muss die Rechtsordnung nicht von Verfassungs wegen hinnehmen, weil sie sich damit für einen nicht unbeträchtlichen Teilbereich von vornherein der Möglichkeit begäbe, durch die Androhung von Sanktionen Verkehrsverstößen und den damit verbundenen Gefahren namentlich für die anderen Verkehrsteilnehmer im allgemeinen Interesse vorzubeugen. Hiergegen kann auch nicht eingewandt werden, mit der Fahrtenbuchauflage werde in rechtlich unzulässiger Weise der Boden bereitet für einen zukünftigen Zwang zur Mitwirkung an der Überführung eines Täters einer Ordnungswidrigkeit. Die Verfassung schützt ohne eine entsprechende gesetzliche Verankerung nicht davor, dass aus Aufzeichnungen, die auf zulässige Verpflichtungen zur Führung von Akten, Büchern, Registern etc. zurückzuführen sind, Erkenntnisse über die Täter von Verkehrsordnungswidrigkeiten abgeleitet werden, auch wenn es sich dabei um den Aufzeichnenden selbst oder jemanden handelt, hinsichtlich dessen dem Aufzeichnenden ein Aussageverweigerungsrecht zusteht.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. August 1999 – 3 B 96.99 -, juris Rn. 3; siehe auch Bay. VGH, Beschluss vom 28. Januar 2015 – 11 ZB 14.1129 -, juris Rn. 24.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 252 Abs. 1 GKG. Dabei legt der Senat für jeden Monat der auf neun Monate befristeten Geltungsdauer der Fahrtenbuchauflage einen Betrag in Höhe von 400,- Euro zugrunde (Ziff. 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit) und setzt im Hinblick auf die Vorläufigkeit dieses Verfahrens den Streitwert auf die Hälfte des sich daraus ergebenden Betrages fest (vgl. Ziff. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Entziehung der Fahrerlaubnis

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Close-up on speed trap surveillance camera along highway.

Die zuständige Fahrerlaubnisbehörde kann den für die Anwendung des § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG erforderlichen Kenntnisstand nur durch Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamts, nicht aber durch Mitteilungen des Fahrerlaubnisinhabers, seines bevollmächtigten Rechtsanwalts oder anderer Privatpersonen erhalten.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 14. Oktober 2022 – 7 K 3668/22 – wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,– EUR festgesetzt.

Gründe

Die fristgemäß eingelegte Beschwerde hat keinen Erfolg.

Auf der Grundlage der Gründe, die in der innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO eingegangenen Begründung angeführt sind und auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, kommt eine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses vom 14.10.2022 nicht in Betracht.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist erforderlich, dass die Beschwerdebegründung die Gründe darlegt, aus denen die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt. Die Beschwerdebegründung muss, um dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO zu genügen, erkennen lassen, aus welchen rechtlichen und tatsächlichen Gründen die gerichtliche Ausgangsentscheidung unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss nicht nur die Punkte bezeichnen, in denen der Beschluss angegriffen werden soll, sondern auch angeben, aus welchen Gründen er die angefochtene Entscheidung in diesem Punkt für unrichtig hält. Hierfür reicht eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ohne Eingehen auf die jeweils tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts, außer in Fällen der Nichtberücksichtigung oder des Offenlassens des früheren Vortrags, grundsätzlich ebenso wenig aus wie bloße pauschale oder formelhafte Rügen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 17.08.2020 – 12 S 1671/20 – juris Rn. 5 und vom 07.03.2017 – 10 S 328/17 – juris Rn. 2; BayVGH, Beschluss vom 02.09.2020 – 11 CS 20.814 – juris Rn. 9 ff.).

Das so verstandene Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO erfüllt die Beschwerdebegründung nicht. Die in dem Schriftsatz vom 04.11.2022 enthaltene Beschwerdebegründung wiederholt weitgehend lediglich das, was bereits gegenüber dem Verwaltungsgericht (unter Bezugnahme auf die Klageschrift im Verfahren 7 K 1427/21) vorgetragen wurde, ohne dass diesem Vorbringen etwas Wesentliches hinzugefügt würde. Indem die Beschwerde im Wesentlichen erstinstanzliches Vorbringen wiederholt, lässt sie nicht die nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO gebotene Auseinandersetzung mit den – sorgfältig abgefassten – Gründen des Beschlusses des Verwaltungsgerichts erkennen.

Unabhängig davon vermag die Beschwerdebegründung auch in der Sache eine Änderung der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich acht oder mehr Punkte nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem (§ 40 i. V. m. Anlage 13 der Fahrerlaubnisverordnung) ergeben. Die kraft Gesetzes (§ 4 Abs. 9 StVG) sofort vollziehbare Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem setzt voraus, dass der Fahrerlaubnisinhaber zuvor das Stufensystem des § 4 Abs. 5 StVG ordnungsgemäß durchlaufen hat (§ 4 Abs. 6 StVG), er also bei Erreichen von vier oder fünf Punkten ermahnt (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG) und bei Erreichen von sechs oder sieben Punkten verwarnt (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG) wurde.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller mehr als acht Punkte nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem erreicht hat und vor der Entziehung der Fahrerlaubnis ordnungsgemäß ermahnt und verwarnt wurde. Insbesondere ist es – anders als es das Beschwerdevorbringen meint – nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht festgestellt hat, dass die am 24.01., 15.02., 04.03. sowie am 19.11.2020 begangenen und mit insgesamt 5 Punkten belegten Verkehrszuwiderhandlungen nicht von der gemäß § 4 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 StVG mit der Ermahnung zu gewährenden Punkteverringerung hätten erfasst werden müssen. Denn die Antragsgegnerin hatte zum Zeitpunkt der mit der Verwarnung vorzunehmenden Verringerung des Punktestands keine Kenntnis von diesen Punkten i. S. v. § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG gehabt.

Zwar hat der Antragsteller über seine damaligen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 23.11. und vom 11.12.2020 die Antragsgegnerin von entsprechenden rechtskräftigen Bußgeldbescheiden unterrichtet. Doch ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung einhellig anerkannt, dass die zuständige Behörde den für die Anwendung des § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG erforderlichen Kenntnisstand nur durch Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamts, nicht aber durch Mitteilungen des Fahrerlaubnisinhabers, seines bevollmächtigten Rechtsanwalts oder anderer Privatpersonen erhalten kann (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 20.07.2016 – 16 B 382/16 – juris Rn. 8 ff. und vom 25.11.2020 – 16 B 854/20 – juris Rn. 20 ff; OVG Sachsen, Beschluss vom 10.02.2017 – 3 B 215/16 -, juris Rn. 8; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.06.2019 – 3 M 85/19 – juris Rn. 13 ff.; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 03.03.2020 – 12 ME 6/20 – juris Rn. 16 ff., 23; BayVGH, Beschluss vom 13.01.2022 – 11 CS 21.2794 – juris Rn. 13; ebenso Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl., § 4 StVG Rn. 88b; Stieber in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 4 StVG Rn. 82; Koehl, NJW 2018, 1281 <1284>; anderer Ansicht Pießkalla, NZV 2017, 261 <263 ff.>, auf den der Antragsteller Bezug nimmt). Diese Rechtsprechung kann sich zudem auf die Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 26.01.2017 – 3 C 21.15 – juris Rn. 25; Beschluss vom 22.02.2022 – 3 B 11.21 – juris Rn. 17) stützen, nach der im Fahreignungs-Bewertungssystem die Fahrerlaubnisbehörde auf der Grundlage der ihr gemäß § 4 Abs. 8 StVG vom Kraftfahrt-Bundesamt übermittelten Eintragungen im Fahreignungsregister entscheidet und dieser Kenntnisstand maßgebend für die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen nach § 4 Abs. 5 StVG ist.

Das Vorbringen des Antragstellers vermag diese Rechtsprechung nicht in Frage zu stellen. Zwar ist in § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG nicht ausdrücklich geregelt, welche Informationsquellen die Fahrerlaubnisbehörde bei der Anwendung des § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG zu berücksichtigen hat. Für die Beschränkung auf Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamts sprechen aber – wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – die Systematik des § 4 StVG und der Sinn und Zweck des Fahreignungs-Bewertungssystems. Nur das Kraftfahrt-Bundesamt kann zuverlässig über die Eintragungen im Fahreignungsregister unterrichten, das bei ihm geführt wird. Würden auch private Mitteilungen als Informationsquellen zugelassen, wäre dies mit der Gefahr von fehlerhaften Mitteilungen und demzufolge mit einem hohen Prüfaufwand der Fahrerlaubnisbehörde verbunden. Die mit der Zulassung von privaten Mitteilungen verbundene Möglichkeit, begangene Zuwiderhandlungen mit dem Ziel zu sammeln, diese der Fahrerlaubnisbehörde „auf einen Schlag“ zur Kenntnis zu geben und dadurch eine Punktereduzierung zu erreichen, wäre mit dem Zweck des Fahreignungs-Bewertungssystems, die von Mehrfach- und Intensivtätern ausgehenden Gefahren im Straßenverkehr zu vermeiden, nicht zu vereinbaren (vgl. zum Ganzen Dauer a. a. O.). Dies hat das Verwaltungsgericht unter Aufbereitung der genannten obergerichtlichen Rechtsprechung in dem angegriffenen Beschluss ausführlich und zutreffend dargelegt, so dass auf ihn zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Soweit der Antragsteller auf den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 24 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG) hinweist, aus dem sich ergebe, dass die zuständige Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet sei, unter Vorlage rechtskräftiger Bußgeldbescheide erfolgte Hinweise des Fahrerlaubnisinhabers oder seines bevollmächtigten Rechtsanwalts zu dem Punktestand nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zu berücksichtigen, übersieht er, dass Ziel und Umfang der nach § 24 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG vorzunehmenden Ermittlungen durch die Rechtssätze bestimmt werden, die die formellen und materiellen Voraussetzungen regeln, die erfüllt sein müssen, damit eine von der Behörde beabsichtigte bzw. von einem Beteiligten beantragte Entscheidung ergehen kann (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl., § 24 Rn. 7a; Ritgen in Knack/Obermayer, VwVfG, 11. Aufl. § 24 Rn. 28; Schenk in Obermayer/Funke-Kaiser, 6. Aufl., § 24 Rn. 31). Mithin bestimmt nicht der Untersuchungsgrundsatz des § 24 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG die Auslegung des § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG, sondern wird durch § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG und die weiteren Regelungen über das Fahreignungs-Bewertungssystem in § 4 StVG der abstrakte Rahmen vorgegeben, innerhalb dessen die Fahrerlaubnisbehörde die konkret ermittlungsbedürftigen Tatsachen aufzuklären hat (vgl. Schneider in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 24 VwVfG Rn. 60 m. w. N.; zur Amtsermittlung, wenn die von einem Betroffenen erhobenen Rügen Zweifel an der Richtigkeit der nach § 4 Abs. 8 Satz 1 StVG vom Kraftfahrt-Bundesamt übermittelten Eintragungen aufwerfen, Beschluss des Senats vom 08.12.2022 – 13 S 2057/22 – juris Rn. 13).

Der weitere Einwand des Antragstellers, die Gesetzessystematik spreche – anders als die Rechtsprechung annimmt (vgl. dazu im Einzelnen OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.11.2020 a. a. O. juris Rn. 27 m. w. N.) – dafür, nicht bloß die durch das Kraftfahrt-Bundesamt vermittelte Kenntnis, sondern jede naheliegende Erkenntnisquelle bei der Anwendung des § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG zu berücksichtigen, greift ebenfalls nicht durch. Neben dem Amtsermittlungsgrundsatz (dazu bereits oben) macht der Antragsteller insoweit geltend, dass für die Entscheidungen nach § 4 Abs. 6 StVG nicht der vom Kraftfahrt-Bundesamt mitgeteilte Punktestand, sondern lediglich die zugrundeliegenden rechtskräftigen Entscheidungen verbindlich seien. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar ist in § 4 Abs. 2 Satz 3 StVG geregelt, dass sich Punkte mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben, sofern sie rechtskräftig geahndet wird, und bestimmt § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei den Maßnahmen nach Satz 1 auf den Punktestand abzustellen hat, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Entscheidung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. Jedoch bilden nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem erst die im Fahreignungsregister gespeicherten Daten und die daraus resultierenden Mitteilungen des Kraftfahrt-Bundesamts an die Fahrerlaubnisbehörde den Ausgangspunkt für das Handeln der Fahrerlaubnisbehörde nach § 4 Abs. 5 StVG (BVerwG, Beschluss vom 23.02.2022 a. a. O. Rn. 17 m. w. N.).

Soweit der Antragsteller den Sinn und Zweck des Fahreignungs-Bewertungssystems bemüht, Gefahren für den Straßenverkehr zu minimieren, der dadurch konterkariert werde, wenn die Fahrerlaubnisbehörde trotz Kenntniserlangung von relevanten Verkehrsverstößen auf Grund einer vorherigen Selbstanzeige des Fahrerlaubnisinhabers erst die Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes abwarten müsse, bevor eine Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgen könne, steht dem entgegen, dass es dem Gesetzgeber mit dem Fahreignungs-Bewertungssystem gerade darum geht, die Allgemeinheit im Interesse der Verkehrssicherheit vor Fahrerlaubnisinhabern zu schützen, die sich durch eine Anhäufung von innerhalb kurzer Zeit begangenen Verkehrsverstößen als ungeeignet erwiesen haben (BVerwG, Urteil vom 26.01.2017 a. a. O Rn. 23; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.11.2020 a. a. O. Rn. 38). Wie der Fall des Antragstellers anschaulich belegt, ließe es sich mit diesem Gesetzeszweck nicht vereinbaren, wenn es der betroffene Fahrerlaubnisinhaber selbst in der Hand hätte, am Kraftfahrt-Bundesamt vorbei und außerhalb des in § 4 Abs. 8 StVG geregelten Verfahrens den Zeitpunkt der Kenntniserlangung der Fahrerlaubnisbehörde selbst zu bestimmen, indem er Verkehrsverstöße und damit einhergehende Punkte mit dem Ziel „ansammelt“, die Ahndung dieser Verstöße quasi auf einen Schlag mit der Folge einer umfänglichen Punkteverminderung nach § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG rechtskräftig werden zu lassen und der Fahrerlaubnisbehörde zur Kenntnis zu bringen (vgl. dazu im Einzelnen: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.11.2020 a. a. O. Rn. 41; OVG Sachsen-Anhalt, a. a. O. Rn. 14 f.; OVG Sachsen, a. a. O. Rn. 8). Dass die Mitteilung hier nicht von dem Antragsteller persönlich, sondern durch den von ihm bevollmächtigten Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege unternommen wurde, führt mit Blick auf den Gesetzeszweck zu keiner anderen Bewertung.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers ergibt sich schließlich auch nichts Anderes aus dem Umstand, dass in den Gesetzesmaterialien (Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zum Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsrechts und der Gewerbeverordnung vom 28.11.2014 [BT-Drs. 18/2775, S. 10]) erwähnt wird, dass die Formulierung „Kenntnis erhält“ § 48 Abs. 4 VwVfG entlehnt sei. Dieser Bezugnahme kann keine Aussagekraft im Hinblick auf die Frage beigemessen werden, ob bei der Anwendung des § 48 Abs. 6 Satz 4 StVG die Kenntnis von einer Zuwiderhandlung vom Kraftfahrt-Bundesamt stammen muss oder ob, wie der Antragsteller meint, auch von ihm selbst bzw. von seinem bevollmächtigten Rechtsanwalt herrührende Informationen in diesem Sinne kenntnisbegründend sein können (vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 20.07.2016 a. a. O. Rn. 18 ff. und vom 25.11.2020 a. a. O. Rn. 30). Vielmehr stützen die Gesetzesmaterialien mit ihrer Aussage „Für das Ergreifen von Maßnahmen hat das Tattagprinzip keine Relevanz, denn Maßnahmen können erst nach Rechtskraft (und Registrierung) der Entscheidung über die Tat und damit deutlich später an die Tat geknüpft werden“ die Ansicht, dass es im Rahmen des § 4 Abs. 6 Satz 4 StVG allein auf die vom Kraftfahrt-Bundesamt vermittelte Kenntnis von den Zuwiderhandlungen ankommt. Das Verwaltungsgericht hat in seinem vom Antragsteller angegriffenen Beschluss diesbezüglich zu Recht ausgeführt, dass die vorgezogene Mitteilung einer Entscheidung und ihrer Rechtskraft durch den Betroffenen selbst nicht ausreicht, um die Einbeziehung dieser Entscheidung in eine Maßnahme nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem zu rechtfertigen, wenn Maßnahmen erst nach der Registrierung der Entscheidung im Fahreignungsregister an eine Tat geknüpft werden können. Denn die vorgezogene Mitteilung des Betroffenen gibt keine verlässliche Auskunft über eine bereits erfolgte Eintragung im Fahreignungsregister (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.11.2020 a. a. O. Rn. 32 ff.; OVG Niedersachsen a. a. O. juris Rn. 17).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. den Empfehlungen in den Nummern 1.5 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt z. B. in Schoch/Schneider, VwGO, unter § 163).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Finanzielle Folgen der Verkehrsüberwachung durch private Dienstleister

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Mit dem Urteil des OLG Frankfurt wurde nochmals bestätigt, dass die Verkehrsüberwachung als hoheitliche Aufgabe nicht an private Dienstleister übertragen werden darf.

Doch dies hatte nicht nur zur Folge, dass viele Bußgeldbescheid schlicht rechtswidrig waren, sondern auch die hierin geforderten Gelder sind nicht wirksam eingefordert werden können.

Für die Städte bedeutet dies hohe Verluste an Einnahmen. Allein die Einnahmeverluste in Offenbach belaufen sich schätzungsweise auf 250.000 Euro. Hinzukommt Frankfurt mit Verlusten über einer halbe Milliarde Euro.

Die Gemeinden stehen nun vor diesen finanziellen Verlusten, die durch die Heranziehung privater Dienstleister verursacht worden sind. Diese war nach Ansicht des Gerichts unzulässig und das Regierungspräsidium Kassel hätte hier keine Bußgeldbescheide erlassen dürfen. Die so entstandenen Bußgelder sind daher anfechtbar.

Weiterhin entschied das OLG auch über die Parküberwachung durch private Dienstleister am 20.01.2020. So ist auch die Verkehrsüberwachung im ruhenden Verkehr durch private Dienstleister unzulässig und die dadurch ermittelten Beweise unterlägen einem absoluten Verwertungsverbot (Az: 2 Ss-Owi 963/18).

Hierdurch werden weiter finanzielle Einbußen auf die Städte und Gemeinden zukommen, die so wohl nicht eingeplant waren. 

Millionen von Bußgeldern möglicherweise ungültig

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Immer wieder bedienten sich Behörden privater Dienstleister zur Verkehrsüberwachung. Die hierdurch erteilten Bußgeldbescheide sind nach Ansicht des OLG Frankfurt allerdings rechtswidrig. Auf der Grundlage einer solchen Verkehrsüberwachung können keine Bußgeldbescheide erhoben werden (Az. Beschluss vom 6.11.2019, Az. 2 Ss-OWi 942/19).

Die Messdaten solcher Dienstleister dürfen nicht als Beweis gewertet werden. Viele Bescheide verlieren daher ihre Grundlage.

Der Entscheidung lag ein Fall des Amtsgerichts Gelnhausen zu Grunde. Der Betroffene überschritt die höchst Geschwindigkeit und erhielt einen Bußgeldbescheid. Derjenige der die Geschwindigkeitsmessung allerdings vorgenommen hat war Angestellter einer privaten GmbH. Allerdings entschied das Gericht gegen die Behörde und stellte fest, dass private Dienstleister nicht mit der hoheitlichen Verkehrsüberwachung beauftragt werden dürften (Urteil vom 29.5.2019, Az. 44 OWi – 2545 Js 3379/19).

Eine solche Verkehrsüberwachung ist nach Ansicht des Gerichts gesetzeswidrig und die so durchgeführten Geschwindigkeitsmessungen entbehren jeglicher Rechtsgrundlage. Eine Verkehrsüberwachung dürfe nämlich nur mit eigenen Bediensteten durchgeführt werden, wenn hierfür eine entsprechende Qualifikation vorliegt.

Dieser Entscheidung des Amtsgerichts gingen auch mehrfache Urteile des OLG voraus. Bereits im Jahr 2017 stellte das OLG fest, dass Ordnungswidrigkeiten nach § 47 I OWiG eine typische Hoheitsaufgabe darstellt, die zum Kernbereich staatlicher Hoheitsausübung gehöre. Übernahme solcher Aufgaben durch private Dienstleister sei danach unzulässig (OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.04.2017 – 2 Ss OWi 295/17).

Das OLG Frankfurt bestätigt daher das Urteil des Amtsgerichts und bestätigte weiterhin auch eine Entscheidung des Amtsgerichts Hanau.

Rechtswidriges Bußgeld? Fehler im neuen Bußgeldkatalog.

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Der Erlass des neuen Bußgeldkataloges im Frühjahr diesen Jahres ist wohl an keinem vorübergezogen.

Allerdings hat der Gesetzgeber hier ein kleines, aber wichtiges Detail missachtet, das Zitiergebot. Somit ist das neue Gesetz verfassungswidrig und die bisher erlassenen Bußgeldbescheide sind danach rechtswidrig.

Der Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer forderte hieraufhin alle Verkehrsminister der Länder auf, Ordnungswidrigkeiten nach dem alten Bußgeldkatalog zu sanktionieren.

Viele der Bundesländer kamen dieser Aufforderung nach. Sollten Sie allerdings einen Bußgeldbescheid auf Grundlage des neuen Bußgeldkataloges erhalten haben, so sollten Sie hiergegen schnellstmöglich Einspruch einlegen.

Einzelheiten des Bußgeldskandals

Doch zunächst einmal zu den Einzelheiten des Bußgeldskandals. In dem neuen Bußgeldkatalog wurde das Zitiergebot aus Art. 80 I, 3 GG missachtet.

Hiernach ist die Ermächtigungsgrundlage einer Verordnung vollständig zu benennen und genau dies wurde hier nicht gemacht. Denn die Verordnung zitiert mit § 26a I, Nr.1 und 2 StVG nur die Ermächtigungsgrundlagen für den Erlass von Vorschriften über Verwarnungsgelder und Regelgeldbußen.

Allerdings wird nicht auf die Vorschriften zum Fahrverbot verwiesen. Daher sind alles Tatbestände ungültig, die mit einem Fahrverbot belegt werden können.

Was sagt das Bundesverfassungsgericht?

Wichtig ist auch, dass das Bundesverfassungsgericht das Zitiergebot sehr genau nimmt. Nach Ansicht des Gerichts ist ein Verstoß häufig so erheblich, dass dies zur Nichtigkeit der Verordnung führt.

Auch in diesem Fall ist davon auszugehen, dass eine vollständige Nichtigkeit vorliegt. Eine Teilnichtigkeit könnte der Rechtssicherheit entgegenstehen, denn es darf keine Unsicherheit darüber bestehen, welcher Teil der Verordnung am Ende wirksam ist und welcher nicht.

Daher sind jegliche Bußgeldbescheide, die auf der neuen Verordnung beruhen rechtswidrig.

Für Betroffene gibt es nun verschiedene Möglichkeiten, die ihnen jetzt zur Verfügung stehen. Zunächst steht es in der Verantwortung der Behörde auf die Nichtigkeit der Regelung zu reagieren und umzustellen.

Was ist nun zu tun?

Zunächst sollte bei dem Bußgeldbescheid innerhalb von 14 Tage Einspruch eingelegt werden. Weiterhin kann in diesem Zusammenhang allerdings auch direkt die Aufhebung des Bescheides gefordert werden.

Wurde ein Bescheid allerdings schon rechtskräftig und das Fahrverbot aber noch nicht angetreten, kann ein Vollstreckungsaufschub verlangt werden. Aber auch wenn beides schon rechtskräftig geworden ist und der Führerschein schon eingezogen wurde, kann in einem Gnadengesuch die Aufhebung der Entscheidung im Bußgeldverfahren beantragt werden und die Herausgabe des Führerscheins gefordert werden.

Bevor der neue Bußgeldkatalog wieder eingeführt werden kann muss nochmals das gesamte Gesetzgebungsverfahren durchlaufen werden.

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Aus mit dem neuen Bußgeldkatalog, Bußgelder ausgesetzt?

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Im Märkischen Kreis wurden alle neuen Bußgeldbescheide ausgesetzt, weil der neue Bußgeldkatalog wegen eines Formfehlers nichtig war.

Was das für die meisten Bußgelder bedeutet? Sie müssen nicht bezahlt werden und ausgesprochene Fahrverbote können aufgehoben werden.

Das Verkehrsministerium NRWs will nun entscheiden, wie mit den Bußgeldern nun zu verfahren ist. Eine Entscheidung soll bis zum 10.07 getroffen werden, bis zu diesem Zeitpunkt werden alle Bußgeldbescheide vorerst ausgesetzt.

Als die Bombe platzte, dass der neue Bußgeldkatalog nichtig ist, standen die Verkehrsminister erstmal vor einem großen Fragezeichen. Denn was mit den bereits erlassenen Bußgeldbescheiden passieren sollte war nicht klar und auch nicht was mit den Betroffenen passiert, die bereits das Bußgeld bezahlt hatten.

Gegen einen bereits erlassen Bußgeldbescheid soll daher in jedem Fall zunächst erstmal Einspruch eingelegt werden.

Laut Kreissprecherin Erkens betreffe die Zwischenregelung, die derzeit angewendet wird nur den Teil der niedrigen Geschwindigkeitsüberschreitungen, bei hohen Geschwindigkeitsüberschreitungen innerorts hatte es zum Beispiel gar keine Anpassung gegeben.

Doch dank des Formfehlers hat der Bleifuß nun vielleicht nicht ganz so schlimme Konsequenzen, denn der Führerschein darf auf Grundlage des neuen Bußgeldkataloges nicht eingezogen werden, da dieser nichtig ist. Im Märkischen Kreis wurden bereits 185 Fahrverbote auf dieser neuen Grundlage ausgesprochen.

Wirksamkeit von Bußgeldbescheiden

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Bußgeldbescheid sind die Art der Post, die man lieber niemals erhält. Die hohen Kosten, die so ein Knöllchen oft mit sich bringen sind immer sehr ärgerlich für den Empfänger. Allerdings ist nicht jeder Bußgeldbescheid auch wirksam und muss bezahlt werden. Daher lohnt es sich ein bisschen genauer hinzusehen, bevor man bezahlt.

Zunächst ist die Frage zu klären, wann mit einem Bußgeldbescheid gerechnet werden muss.

Grundsätzlich wird ein Bußgeldbescheid ausgestellt, wenn Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr begangen worden sind. Auch die Punkte in Flensburg und Fahrverbote werden zu vielen Teilen mit der Hilfe eines Bußgeldbescheides geahndet.

Wichtig ist vorab auch, dass für einen Bußgeldbescheid festgelegte Fristen gelten. Das Verkehrsrecht schreibt vor, dass ein Bescheid in der Regel binnen drei Monaten nach dem Verstoß zugestellt werden muss. Anderenfalls tritt Verjährung ein, diese Regelung findet allerdings Ausnahmen.

Doch was ist überhaupt ein Bußgeldbescheid?

Jeder Bußgeldbescheid enthält die Angaben zu der betroffenen Person und möglichen Beteiligten. Außerdem wird die Tat konkretisiert, welcher derjenige beschuldigt wird, sowie der Tatzeitpunkt und der Tatort. Weiterhin sind etwaige Beweismittel angefügt und das gemäß des Bußgeldkataloges ausgesprochene Bußgeld mit seinen Folgen wird aufgeführt. Außerdem muss der Beschuldigte immer darauf hingewiesen werden, dass der Bußgeldbescheid rechtskräftig wird, wenn nicht binnen 14 Tagen Widerspruch nach § 67 OwiG eingelegt wird.

Und wann ist ein Bußgeldbescheid unwirksam?

Zunächst kann ein Bußgeldbescheid unwirksam sein, weil Verjährung eingetreten ist. Die Verjährungsfristen sind in den §§ 31 ff. OwiG geregelt. Grundsätzlich handelt es sich hier nur um die Verjährung zur Durchsetzung von Bußgeldern. Auch muss beachtet werden, dass diese Verjährungsfristen unterbrochen werden können. Diese Unterbrechung tritt immer dann ein, wenn eine Behörde einen Anhörungsbogen versendet.

Ein Bußgeldbescheid kann aber aufgrund von technischen oder formellen Fehlern unwirksam sein. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass einfach Schreibfehler bei dem Namen des Betroffenen nicht ausreichen sind, dass der Bescheid unwirksam wird. Allerdings können Behörden zahlreiche andere Formfehler machen, sodass es häufig sinnvoll sein kann sich anwaltlich beraten zu lassen.

Was kostet mich ein Bußgeldbescheid?

Die kosten des Bescheides richten sich natürlich nach der begangenen Ordnungswidrigkeit. Allerdings müssen neben diesen Gebühren auch noch Auslagen bezahlt werden. Genaue Kosten können daher auch nicht im Vorfeld festgelegt werden.

Doch wenn der Bußgeldbescheid erschienen ist und eine Summe zu zahlen ist, die utopische Ausmaße annimmt, bleibt jedem immer die Möglichkeit Einspruch einzulegen.

Doch wie lege ich Einspruch ein?

Gegen einen fehlerhaften Bußgeldbescheid kann jedoch Einspruch eingelegt werden. Hierbei ist zu beachten, dass man die Einspruchsfrist von zwei Wochen einhält. Für den Einspruch muss dann ein entsprechendes Schreiben angefertigt werden. Jedoch muss eine fundierte Begründung vorgetragen werden. Daher ist es meist empfehlenswert hierfür einen Anwalt zu beauftragen. Während des Einspruchsverfahrens muss der Betroffene die Sanktion nicht bezahlen.

Wird der Einspruch dann allerdings verworfen ist der Bußgeldbescheid rechtskräftig. Die Behörde stellt bei einem fehlerfreien Bescheid fest, dass der Bescheid aufrechterhalten werden soll. Aber nicht nur auf deutschen Straßen wird man zur Kasse gebeten und meist fällt das in unseren Nachbarländern noch deutlich höher aus. Will man hier einen Einspruch einlegen ist es dringend anzuraten, eine Fachanwalt zu Rate zu ziehen.

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